Sonntag, 7. Juni 2009

Gyeongbokgung Palast und Insa-Dong

Wahnsinn, schon wieder Wochenende (und zwar mein vor-vorletztes), also versuche ich mal nach und nach die Höhepunkte meiner Erlebnisse der letzten Tage zu beschreiben. (Und ja, ich lebe noch und habe auch das DMZ – die nord-süd-koreanische Grenzzone – überlebt, aber dazu mehr im nächsten Thread.)

Am letzten Sonntag war ich mit Katrin, Insa (zwei Freundinnen von der EBS, die uns letzte Woche aus Shanghai und Peking besucht haben) und Yasmin im Gyeongbokgung Palast (oder auch im „Großen Palast“, weil er der größte und älteste der fünf Palästen der Joseou Dynastie ist) der hier mitten in Seoul steht. Erbaut wurde er 1395, aber leider im 19.Jhd im Krieg zerstört, sodass er komplett neu rekostruiert werden musste zwischen 1867 und 1990. Man sieht meinen Fotos auch an wie frisch die Farbe ist und wie neu er noch wirkt. Genaueres zum Palast (und auch zu Besuchen die ich in anderen Threads beschrieben habe) erzähle ich euch dann bei Interesse mal persönlich - man erlebt so viel, dass man nicht mal einen Bruchteil hier beschreiben kann.

An dem Tag war jedenfalls super gutes Wetter wie man sieht und wir alle – außer Yasmin – hatten ziemlichen Sonnenbrand. Auch habe ich an dem Tag zum ersten Mal einen wirklich komplett blauen Himmel über Seoul gesehen. Sonst ist er eher grau und versmogt.

Und für so einen schönen Tag war der Palastbesuch genau richtig. Während man (wie auf den ersten paar Fotos) anfangs Steinplätze, Soldaten und große Palastgebäude auf dem Gelände fand, wurde es – je weiter man lief – weiter hinten immer grüner und noch schöner. Bis wir am Ende des Palastgeländes sogar einen See mit einem Pavillon und große Wiesen und Bäume finden konnten (das ist doch recht selten in Seoul…). Und überraschenderweise war es auf dem ganzen Gelände auch gar nicht voll – ich hatte eigentlich erwartet jede menge Touristen anzutreffen.

Wenn ihr euch über das Foto eines Fensters wundert, an dem zerstochenes Pergamentpapier angebracht ist, da steht eine Geschichte dahinter: Hier in Korea war es (und ist es in konservativen Haushalten noch immer) üblich, dass die ganze Familie das frisch-gebackene Ehepaar in der Hochzeitsnacht an ihr Hotelzimmer bringt und während des ersten Geschlechtsverkehrs an den Fenstern steht (an denen Pergamentpapier angebracht ist) und mit den Fingern Löcher reinpiekst um das Paar dabei zu beobachten. Dass Paare das mit sich machen liessen (und sogar zum Teil noch lassen) hat mich doch sehr gewundert.

Hinterher waren wir noch zusammen in Insadong, wo ich auch zum ersten mal in Seoul Postkarten finden konnte (ist auch so ziemlich das touristischste Viertel Seouls). Dort war es eigentlich auch sehr schön, allerdings waren die Preise den Touristen angepasst, sodass wir dort auf das Mittagessen verzichteten und „nur“ einen Kaffee getrunken haben. In Insadong ist übrigens auch der einzige Starbucks, der sein Logo und seinen Schriftzug nicht auf englisch angebracht hat (darüber haben wir zich-mal in unseren Marketingvorlesungen hier gesprochen), denn die Bewohner des Viertels haben demonstriert und protestiert, dass diese amerikanische Kette nicht ins Gesamtbild Insadongs passen würde. Deshalb steht jetzt – siehe Foto – „Seh-Ta-Bag-Se-Koh-Pi“ in koreanischen Zeichen darauf und auch das Logo fehlt.

So, schöne Grüße aus der anderen Ecke der Welt. Leider bin ich nur noch 15 Tage hier und die nächsten zwei Wochen werden unter anderem ans Lernen verschwendet werden müssen… Aber man kann es nicht ändern. Und irgendwie freue ich mich doch auch schon wieder auf Deutschland und euch alle. Eure Lena

Samstag, 30. Mai 2009

Mobbing in Korea

Da mich jetzt schon mehrere Leute zum dem Thema befragt haben, schreibe ich jetzt mal einen Blogeintrag zum Thema Mobbing in Korea. Viele von euch haben sicherlich vom Fall der koreanischen Schauspielerin Choi Jin Sil gehört – sie wurde vor ein paar Jahren im Internet so sehr gemobbt, kritisiert und fertig gemacht, dass sie sich das Leben nahm. Seitdem ist die koreanische Regierung sehr darum bemüht einen freundlicheren Umgang in Korea zu verbreiten und das Internet stärker kontrollieren zu lassen (Internet Zensur haben wir hier übrigens auch. Nicht so heftig wie in China, aber alle Seiten gewalttätigen, sexuellen, oder hetzerischen Inhalts sind gesperrt, siehe Screenshot). All das ging in Europa durch die Presse.
Hier allerdings habe ich mehrere meiner koreanischen Freunde zu dem Thema befragt und sie hatten alle nie davon gehört. Weder vom Selbstmord Choi Jin Sils, noch von einer „Freundlichkeits-Kampagne“. Sie waren ganz bestürzt als ich davon erzählte und ihnen sogar englische Artikel im Internet dazu zeigte.

Koreaner sind aber von sich aus schon so wahnsinnig freundlich, dass ich mir jegliche Form von Hetze oder klarer Unhöflichkeit wirklich nur in der Anonymität des Internets vorstellen kann. Persönlich im Gespräch ist mir das noch nie passiert und auch wenn ich mit Koreanern über „nervige Professoren“ oder „aggressive Mitbewohnerinnen“ spreche, bekomme ich maximal ein schüchternes „I think, öhm…. I think I don’t like her“ das hinter vorgehaltener Hand und mit einem nervösen Kichern abgeschwächt wird. Wenn irgendetwas negatives – zum Beispiel im Rahmen einer Gruppenarbeit – gesagt werden muss, oder irgendetwas ermahnendes, dann werden an die SMS oder Email zahlreiche Smilies gehangen „ ~ :D :D :D ^^ ~ “ um es nur ja freundlich zu bleiben. Daran habe ich mich auch schon angepasst. Ich schreibe grundsätzlich keine SMS mehr an Koreaner ohne Smilies…. (Selbstverständlich gibt es ein paar Ausnahmen unter den Koreanern, – hauptsächlich bei denen, die eine Zeit im Ausland gelebt haben – aber das Gros reagiert wie beschrieben.)

Eine Szene in der Vorlesung fand ich neulich dann aber doch überraschend: Als wir in Marketing 20 Werbefilme anaylsieren sollten und bewerten sollten welcher uns am besten und am wenigsten gefiel, sagten meine Teamkollegen einstimmig, dass sie den letzten Spot nicht leiden könnten, weil sie die Schauspielerin nicht leiden könnten. Sie sei zu freizügig und hätte sich operieren lassen* und dies auch noch zugegeben. Ich musste innerlich ein wenig grinsen, da ich mir nicht vorstellen konnte wie wir diese Erklärung unserem Professor erklären könnten. Aber als der Prof am Ende der Stunde SEINE Bewertung vorstellte meinte auch er, dass er den Spot nicht leiden könnte und das Produkt boykottiert – einfach weil er die Frau aus dem Werbespot absolut nicht leiden kann. (Und das von einem Harvard Professor….).

*Kleiner Exkurs zum Thema Operationen: Schönheitsoperationen sind in Korea Gang und Gäbe (insbesondere Nasenoperationen um sie länger und weniger dick zu machen, und „Wangenknochen-Anhebung“ – um das typischerweise sehr runde Gesicht der Koreaner westlicher aussehen zu lassen), allerdings würde hier keine Frau jemals dazu stehen (noch weniger als bei uns in Deutschland!).

Schwerwiegende Ereignisse der letzten Woche


Schon wieder ist eine Woche um – jetzt rennt mir die Zeit echt weg. Vor allem ist in der letzten Woche ja einiges passiert, wie ihr den Nachrichten bestimmt auch entnommen habt. Zwei (- drei) Ereignisse schockierten die Koreaner.

Erstens natürlich die Raketen- und Atomtest der Nordkoreaner und die anschließende Kriegsdrohung, allerdings reagieren die Südkoreaner anders als ich erwartet hätte. Sie haben gar nicht mal so eine große Angst, sondern tun meine Fragen danach ab mit einem „Ach die drohen doch seit Jahren… Und nie ist wirklich was passiert“. Das Ausmaß der Absurdität des Lebens in Nordkorea kann man diesem Artikel ganz gut entnehmen – es ist einfach unglaublich. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,627442,00.html

Am kommenten Dienstag werde ich selber mit drei Freundinnen von der EBS in die demilitarisierte Zone Nordkoreas reisen und mir ein Bild machen können – ich bin echt gespannt. Mehr dazu nach meinem Tagestrip dorthin!

Ausnahmsweise werde ich hier mal die Bildzeitung als Quelle aufführen – allerdings nur wegen der Fotos des Artikels - die geben auch einen guten Eindruck der außergewöhnlichen Lebenssituations Kim.

http://www.bild.de/BILD/politik/2009/05/28/kim-jong-il/seine-kindheit-seine-macht-seine-krankheit.html

Und zweitens der Selbstmord des ehemaligen Präsidenten Roh MooHyun. Diese Nachricht berührte die Koreaner noch viel mehr als jegliche Drohung Nordkoreas. Auch wenn Roh sehr kritisiert wurde wegen eines Korruptionsfalls trauerten jetzt am Freitag mehrere hunderttausende Koreaner in Busan und hier in Seoul um ihn, besonders bei jungen Leuten war er sehr beliebt. Ihr müsst euch die Fotos und vor allem den Film des folgenden Links ansehen – es ist unglaublich wie die Menschen hier auf den Straßen geweint haben. Es erinnerte schon an die Anteilnahme der Menschen als Papst Johannes Paul II starb – einfach unglaublich. Wäre dieser Selbstmord in Deutschland passiert, wären die Reaktionen gabz anders ausgefallen. Er wäre – trotz des Bedauerns – öffentlich dafür kritisiert worden sich vor seinem Freund beim Bergsteigen von einer Klippe gestürzt zu haben und auch in der Notaufnahme und Bergrettung so viele Leute an seinem Tod teilhaben zu lassen.

http://www.trtdeutsch.com/international/newsDetail.aspx?HaberKodu=be55fa18-1c7b-4400-81f1-e2f9498deff0

Roh hinterliess einen Abschiedsbrief mit den Worten «Was mir für den Rest des Lebens geblieben ist, ist nur eine Bürde für andere. Seid nicht traurig. Sind Leben und Tod nicht beide Teil der Natur?».

Auf unserem Campus hingen auch überall Trauer-Plakate und es wurden Gedenkminuten eingehalten, zu Ehren Rohs. Auch dort liefen weinende Studenten rum und ihnen wurden Vorlesungen erlassen (was hier sehr sehr selten passiert, in dem verschulten System).

Nach der Trauerfeier in Seoul kam es noch zu gewalttätigen Protesten von Anhängern Rohs gegen die Opposition, die ihn wohl durch ihre sehr harte Kritik in den Selbstmord gefühlt haben sollen. Rund 21.000 Polizisten waren im Einsatz (siehe msnbc als Quelle). Den ganzen Tag lang konnte man in Seoul noch weinende Menschen antreffen, die gelbe Schirmmützen trugen (Gelb war die Farbe des Präsidenten) und knapp eine Million Menschen pilgerten in seine Heimatstadt Bongha am Freitag und auch die Tage zuvor besuchten tausende Koreaner Bongha, wo seine Leiche aufgebahrt war.

Nach all diesen Ereignissen ist allerdings eine Hauptfrage in den Köpfen der Koreaner verankert: Was werden jetzt die anderen Länder der Welt von Südkorea denken. Sie machen sich unheimliche Sorgen, dass die Ereignisse der letzten Wochen ihren Ruf in der Welt zerstört haben und trauern deshalb noch mehr.

An euch weniger euphorische Grüße als sonst aus Seoul, einer so ganz anderen Welt.

Samstag, 23. Mai 2009

Bukchong und Gwanghwamun

Hallo ihr Lieben. Heute habe ich mal eine vollkommen neue Seite Seouls kennenlernen dürfen und war echt unheimlich überrascht etwas so ursprüngliches und authentisch-asiatisches hier mitten in dieser Millionenstadt zu finden. Aber ich erzähle mal von Anfang an:

Heute Abend habe ich mich mit Joseph-Oh in Gwanghwamun getroffen und bin erstmal mit ihm dort in dem Viertel rumgelaufen. Das Viertel ist voller Kontraste – auf der einen Seite gibt es den riesen Gyeongbokgung Palast (den ich in den nächsten Wochen noch besuchen werde) und auf der anderen Seite jede Menge Museen (unter anderem viele mit moderner Kunst, aber auch koreanischer Geschichte), moderne Büchereien und große moderne Büro-Hochhäuser. Dort sind wir in einen riesen Bücherladen gegangen (so einen riesen Laden habe ich im Leben noch nicht gesehen), in dem es sogar einige deutsche Bücher (und ausländische Bücher auf deutsch) gab – Tintenherz, Effi Briest, der kleine Prinz, Harry Potter, etc…

Danach haben Joseph-Oh und ich eine City-Bus-Night-Tour in einem Doppeldecker gemacht, die uns 90 Minuten lang quer durch Seoul führte – auf beide Seiten des Flusses, über zahlreiche Brücken hin und her, auf den Namsan Berg (das ist der Berg auf dem auch der Seoul Tower steht, den ich Anfang Februar besuchte) und am Palast vorbei.

Nach der Sightseeing-Tour sind wir einfach spazieren gegangen – eigentlich auf der Suche nach einem Restaurant zum Abendessen, aber die Ecke Seouls pulsiert abends nicht so sehr wie Hongdae oder Sinchon, sodass alle Restaurants um halb zehn schon geschlossen hatten… Also sind wir einfach spazieren gegangen, von Gwanghwamun über Insadong bis nach Bukchong. Und Bukchong ist echt der krasseste Kontrast zu dem sonst so modernen, amerikanisierten, lauten Seoul, den ich jemals gesehen habe. Teile des Viertels kamen mir ein wenig vor wie in Italien – die Restaurants und Bars waren sehr offen, man saß draussen, oder drinnen am Fenster mit Kerzenlicht und überall waren Blumen und Bäume. Andere Teile des Viertels waren so fern ab von gut und böse. Leider kann man den Fotos nicht entnehmen wie still und ursprünglich es wirklich war – denn es war sehr schwer bei der Dunkelheit gute Aufnahmen zu machen (meine Kamera ist an ihre Grenzen gestoßen), aber einige Fotos geben zumindest einen Eindruck.

Das Viertel dort oben war fast komplett dunkel, es waren keine Hochhäuser zu sehen, keine Betonklötze, keine Leuchtreklamen, sondern nur ganz ursprüngliche, koreanische – meist einstöckige – Häuser mit den typisch-asiatischen Dächern. Man hat keinen Straßenlärm gehört und die Luft war auch ganz anders. Das Viertel lag weit oberhalb des Verkehrs, sodass man an manchen Ecken runter auf die Stadt gucken konnte und den Gegensatz direkt vor Augen hatte (einem der Fotos kann man das ein bisschen entnehmen) – vorne Stille, Dunkelheit, Authentizität und dahinter Hochhäuser, Stau, und Leuchtreklamen. In weniger als zehn Minuten Fußmarsch (darunter zahlreiche Treppen) war man plötzlich in einer vollkommen anderen Welt. Es war einfach unglaublich.

Ich bin echt sehr froh, dass ich sowas hier auch noch gezeigt bekommen habe – es gibt mir jetzt ein ganz anderes Bild von Seoul.

Hinterher hat uns der Hunger dann doch novh nach Sinchon getrieben (in puncto Bars, und preiswerte Studentenrestaurants ist Sinchon eben kaum zu toppen).

Ein paar Erläuterungen zu den Fotos (die meisten solltet ihr euch wirklich mal in groß ansehen!) : Das erste Foto hat Joseph noch mitten in Gwanghwamun geschossen – solche kleinen Pavillons gibt es in Korea überall in der Stadt verteilt.

Das Foto von mir vor dem hell erleuchteten verglasten Gebäude zeigt das Museum of Modern Art – auch in Gwanghwamun. Die bunten Lichter, die die Umrisse eines koreanischen Tors ahnen lassen stellen das tatsächliche Tor nach, das dahinter liegt, allerdings momentan restauriert wird. Und schließlich auf dem letzten beiden Fotos sind Joseph-Oh und ich in einer meiner Lieblingsbars in Sinchon, wo ich mir nach drei Monaten endlich mal wieder einen (leider amerikanischen) Weißwein gegönnt habe - habe mich richtig gefreut (den Riesling vermisse ich schon sehr hier!!!).

Beste Grüße aus Seoul, ich falle jetzt fasziniert und hochzufrieden total k.o. ins Bett.